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Als aus Parfüm Desinfektionsmittel wurde: Unternehmerische Neuausrichtung in Krisen- und Nichtkrisenzeiten




Parfumflakon mit bernsteinfarbenem Inhalt vor einem sandfarbenen Hintergrund

„Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen“ – dieses Sprichwort bewahrheitet sich in beeindruckender Art und Weise in der aktuellen Situation rund um das Corona-Virus. Wir alle sehen uns, sowohl im Privaten als auch im Beruflichen, mit einem Ausnahmezustand konfrontiert. In zahlreichen Beispielen zeigt sich derzeit die Fähigkeit vieler, ihr gesamtes Leben kurzfristig auf den Kopf zu stellen und sich mit den bestehenden Unwägbarkeiten zu arrangieren. Neue und kreative Ansätze und Herangehensweisen, beispielsweise bei der Familienorganisation, der Kinder- und Schulbetreuung, des Homeoffice, der Kontaktpflege oder des sozialen Engagements sind hiervon die oft bewundernswerten und vorbildlichen Folgen, über die aktuell in den sozialen Medien berichtet wird.

Aber nicht nur im Umgang mit privaten Herausforderungen zeigen sich aktuell bemerkenswerte Entwicklungen. Unternehmen reagieren vielfach und mehrschichtig sehr flexibel und stellen sich auf die neuen und oft sehr komplexen Umstände ein. Diverse Regelungen und Varianten von Homeoffice-Lösungen werden in kürzester Zeit entwickelt und umgesetzt, die Kundenkommunikation wird auf kreative und zum Teil ergreifende Weise über soziale Medien gesteuert und wenn es die Zeit und Kapazitäten zulassen, werden Weiterbildungsmaßnahmen ergriffen und Zukunftskonzepte erarbeitet.

Mit einem neugierigen Blick lässt sich aus der aktuellen Situation, insbesondere noch aus dem Umgang vieler Privatpersonen und Unternehmen mit den aktuellen Unwägbarkeiten, viel im Hinblick auf Geschäftsmodellinnovationen lernen. Das Anpassen auf sich verändernde Rahmenbedingungen und die optimale Allokation bestehender und benötigter Ressourcen ist eine Grundvoraussetzung zur Identifikation von Kundenbedürfnissen (und Kundengruppen) und zur Gestaltung neuer Wertangebote. In diesen Tagen sehen wir eindrucksvoll, wie Parfümhersteller, Brauereien und Brennereien ihre Produktion auf Desinfektionsmittel umstellen, Textilproduzenten Atemmasken herstellen und 3D-Drucker zu Produktion von elementaren Bauteilen und Komponenten für dringend benötigte Beatmungsgeräte umgerüstet werden. Auch hochkomplexe Produktionsabläufe, wie beispielsweise die von Automobilherstellern, werden kurzfristig auf die Auslieferung von medizinischen Geräten umkonfiguriert. Hierbei zeigt sich an sehr vielen Stellen, wie flexibel Geschäftsmodelle und Unternehmen im Hinblick auf ihre Wertangebote gestaltet werden können.

Veränderung entsteht durch Druck von außen

Derartige Reaktionen und Veränderungen von Unternehmen sind dabei keineswegs eine Ausnahme und nicht primär der aktuellen Krise geschuldet. Ähnliche Veränderungen in Unternehmen sind z.B. durch das Auftreten von neuen Technologien, Digitalisierung oder politischen/gesetzlichen Veränderungen über einen deutlich längeren Zeitraum zu beobachten. Oft jedoch initiieren Unternehmen ihren Wandel erst, wenn beispielsweise neue Technologien und Trends bereits am Markt etabliert sind. So sieht sich die Automobilindustrie mit einem Wechsel hin zur E-Mobilität konfrontiert, wodurch auf Verbrennungsmotoren basierende Wertangebote weniger nachgefragt werden könnten.

Aber warum reagieren Unternehmen oft erst im Fall einer Krise beziehungsweise durch erheblichen externen Druck in Bezug auf ihr Geschäftsmodell? Deutlich einfacher und effektiver ist es, Veränderungen anzustoßen und neue Dienstleitungen und Produkte in erfolgreichen Zeiten zu entwickeln. In diesen Zeiten stehen vermehrt Ressourcen, wie zum Beispiel finanzielle Mittel, zur Verfügung und Kundenbeziehungen sind oft positiv belegt.

Sieben Tipps zur strategischen Neuausrichtung

Unabhängig davon, ob es um die Entwicklung neuer oder um die Optimierung bestehender Geschäftsmodelle geht, können Unternehmen auf bereits erprobte Ansätze, Prozesse und Methoden zurückgreifen:

  1. Die strategische Ausrichtung des Unternehmens und das bestehende Geschäftsmodell sollten regelmäßig reflektiert und weiterentwickelt werden. Lediglich einmalige oder unregelmäßige Workshops/Meetings können oft zu nachteiligen Effekten führen, wenn die Themen im Anschluss brachliegen und nicht mit der notwendigen Priorität auch im Alltag verfolgt werden.

  2. Bevor derartige Vorhaben im Unternehmen initiiert werden, sollte ein detailliertes und strukturiertes Vorgehen definiert werden. Unstrukturiertes und punktuelles Arbeiten an den Projekten kann zu unzureichenden Ergebnissen und hohen Streuverlusten innerhalb des Prozesses führen.

  3. Die Weiterentwicklung des Unternehmens sollte immer durch die Geschäftsführung und/oder die erste Führungsebene mit der entsprechenden Priorität und Aufmerksamkeit vorangetrieben werden. Interdisziplinäre Teams aus unterschiedlichen Bereichen helfen dabei, alle relevanten Aspekte des Unternehmens wahrzunehmen und miteinzubeziehen. Fehlt die entsprechende Unterstützung und Priorisierung bei Projekten, werden diese oft vernachlässigt bzw. mit unzureichender Intensität und Qualität weiterentwickelt. Dies kann zu einer sinkenden Akzeptanz der Beteiligten und nicht selten zum Scheitern der jeweiligen Vorhaben führen.

  4. Die Weiterentwicklung des Unternehmens bedarf den Einsatz von Ressourcen im Sinne von Zeit und gegebenenfalls finanziellen Budgets. Eine fehlende Ressourcenausstattung kann dazu führen, dass notwendige Analysen und Maßnahmen nicht umgesetzt werden und damit Entscheidungen auf Basis schlechter Informationen getroffen werden. Eine fehlende Allokation von zeitlichen Ressourcen kann den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern signalisieren, dass derartige Projekte nur eine untergeordnete Priorität genießen und keine entscheidende Bedeutung für das Unternehmen haben.

  5. Es sollte ein Set an Methoden und Werkzeugen bereitgestellt und geschult werden. Der ausgewählte Einsatz von geeigneten Methoden und Werkzeugen hilft dabei, schneller zielgerichtete Ergebnisse zu erreichen, schafft ein einheitliches Verständnis für das Thema und das Vorgehen, fördert die Kreativität und gewährleistet ein strukturiertes, nachvollziehbares und übersichtliches Vorgehen. Ein unstrukturiertes Vorgehen, Blindleistungen und kein einheitliches Verständnis führen oft dazu, dass Kosten frühzeitig aus dem Ruder laufen bzw. Projekte auf unterschiedlichen Ebenen auf Ablehnung stoßen. Dies kann oft zu Unzufriedenheit und dem Verwerfen von Projektvorhaben führen.

  6. Das Hinzuziehen externer Experten und Moderatoren kann Neutralität zwischen den einzelnen Parteien gewährleisten und bringt zusätzliche Ideen, Impulse und Perspektiven mit in den Prozess ein. Die Unterstützung durch externe Moderation und Steuerung kann internen Konflikten vorbeugen, eine methodisch saubere Vorgehensweise unterstützen und damit zu einer höheren Effizienz bei den eingesetzten Ressourcen führen. Darüber hinaus kann eine größere Offenheit der beteiligten Parteien erreicht werden.

  7. Ideen, Ansätze und Leistungen sollten möglichst schnell und in regelmäßigen Abständen getestet werden. Sowohl beim Testen als auch bei der Entwicklung sollten nach Möglichkeit Kunden und relevante Zielgruppen miteinbezogen werden. Hierdurch kann direktes Feedback und wertvoller Input für eine erfolgreiche Weiterentwicklung erreicht werden. Unzureichendes Testing und die Vernachlässigung von Kundenreaktionen können dazu führen, dass bspw. Produkte und Dienstleistungen entwickelt werden, die nicht den Bedürfnissen der Zielgruppen entsprechen und keine Nachfrage am Markt generieren.

Nicht-technologische Innovationen werden zunehmend relevant

Unternehmen können für unterschiedliche strategische und operative Fragestellungen auf frei zugängliche Methoden und Werkzeuge zurückgreifen. Durch eine bewusste Anwendung kann hierdurch ein erheblicher Mehrwert im Hinblick auf die gesteckten Ziele erreicht werden. Je klarer und detaillierter diese Zielvorgabe definiert ist, desto besser können strategische Projekte strukturiert und durch den Einsatz von Methoden und Werkzeugen unterstützt werden.

Die Angebote für offen zugängliche Methoden und Werkzeuge sind sehr groß und sollten je nach Zielrichtung und Projektvorhaben achtsam ausgewählt werden. Nachfolgend stellen wir einen Auszug aus bekannten Werkzeugen in Abhängigkeit von möglichen Herausforderungen vor:

  • Ideenfindung für neue Geschäftsmodelle und Wertangebote à „Mashup-Innovation“ oder „Kill your Company“
  • Problemlösung à „Post mortem“ oder der „Morphologische Kasten“
  • Entscheidungsfindung à „OODA-Loops“ oder „AEIOU-Methode“
  • Kreativität und Ideenvielfalt à „Empathy Map“ oder „Disney Brainstorming“
  • Strukturierung von Geschäftsmodellen, Zielgruppen und deren Bedürfnissen à „Business Model Canvas“ oder „Value Proposition Design“

Betrachtet man die Entwicklung vieler Branchen und Märkte der letzten Jahre, so gewinnen sogenannte nicht-technologische Innovationen zunehmend an Relevanz für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Beispielhaft können hier Geschäftsmodellinnovationen, organisationale Innovationen, Marketinginnovationen oder Managementinnovationen genannt werden. Eine Art F&E am eigenen Unternehmen oder Geschäftsmodell kann hier die Basis für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit legen, die sich bereits heute mit den Herausforderungen einer sich immer schneller wandelnden Umwelt auseinandersetzt.


Dr. Christoph Buck
Akademischer Rat a. Z.
Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik
Fraunhofer Projektgruppe Wirtschaftsinformatik
Stabsabteilung für Entrepreneurship und Innovation

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Philipp Vogler
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