„Wie viel Staat braucht der Wald?“ – Nachbericht zum Forum Waldkontroversen 2025
Regen Austausch unter den Teilnehmenden gab es gleich zu Beginn der Veranstaltung im Rahmen einer kurzen Kennenlernrunde.
Bayreuth, 04. Dezember 2025
Förderung, Regulierung, Eigenverantwortung – in diesem Spannungsfeld bewegten sich die angeregten Diskussionen beim diesjährigen Forum Waldkontroversen 2025, das am 21. November an der Universität Bayreuth stattfand. Zum siebten Mal in Folge kamen dazu rund 100 Stakeholder und Interessierte aus Wald- und Forstwirtschaft, Ökologie und Forschung im Tagungszentrum des Studierendenwerks Oberfranken zusammen. Im Rahmen von Vorträgen, offenen Fragerunden und einer Podiumsdiskussion bot die Veranstaltung in diesem Jahr reichlich Raum für Austausch rund um das Thema „Wie viel Staat braucht der Wald?“.
Das Forum Waldkontroversen wird jährlich von der Campus-Akademie für Weiterbildung, dem Bayreuther Zentrum für Ökologie und Umweltforschung (BayCEER) und dem Ökologisch-Botanischen Garten der Universität Bayreuth organisiert. In diesem Jahr wurden Fragen zur Rolle staatlicher Förderungen für den Wald, zur Zweckmäßigkeit der Zuwendungen für Waldbesitzende und die Gesellschaft sowie zu Verantwortlichkeiten von Staat, Gesellschaft, Wirtschaft und Waldbesitzenden diskutiert. Wie gewohnt traf dabei eine Vielzahl an unterschiedlichen Perspektiven in lebendigen Debatten aufeinander.
Der Wald zwischen Staat, Gesellschaft und Wirtschaft
Nach einem Grußwort der Direktorin des Ökologisch-Botanischen Gartens, Dr. Lena Muffler-Weigel, führte Leonie Gass (EASI Lab, Universität Bayreuth) thematisch in die Veranstaltung ein. Mit Hinweis auf die parallel stattfindende Weltklimakonferenz in Brasilien betonte sie die aktuelle Herausforderung, unsere Wälder zu erhalten und so umzubauen, dass sie den zukünftigen klimatischen Bedingungen standhalten können.
Leonie Gass (EASI Lab, Universität Bayreuth) führte in die Vortragsrunde der Veranstaltung ein.
Den Anfang der Vortragsreihe machte Dr. Andy Selter, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Forst- und Umweltpolitik der Universität Freiburg. „Der Wald ist eines der am stärksten politisierten Ökosysteme“, postulierte der Forstwissenschaftler zu Beginn seines Beitrags. Schließlich dienten die Wälder in Deutschland als Lebensraum, Arbeitsplatz, Rohstoffquelle, Erholungsort und vieles mehr. Durch die Vielzahl der verschiedenen Parteien mit Waldinteressen sei auch die Anzahl unterschiedlicher Standpunkte und Narrative rund um den Wald sehr hoch.
Aufgabe des Staates müsse es somit sein, die Waldfunktionen zu erhalten, einen fairen Zugang zu ermöglichen und gleichzeitig die Rechte der Waldbesitzenden zu schützen. Dabei komme es darauf an, einen geeigneten Instrumentenmix aus Information, Ökonomie, Planung und Regulatorik zu finden, Waldbesitzende mehr zu befähigen und auch mit Kleinstwaldbesitzenden auf Augenhöhe zu arbeiten. Dem Staat komme damit eine zentrale Rolle für die Erhaltung der Wälder zu. Deshalb plädierte Selter, die Frage müsse nicht lauten, „Wie viel Staat braucht der Wald?“, sondern „Welchen Staat braucht der Wald?“.
Finanzierung des Waldumbaus – Förderung oder Investments?
Welche Instrumente bereits zum Einsatz kommen und wie effektiv diese sind, stellte Justus Bork, stellvertretender Referatsleiter für Forstliche Förderung und Beratung im Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus dar. Erklärtes Ziel der Bayerischen Forstverwaltung sei es, Bayerns Wälder durch aktives Handeln klimaresilient zu machen und die dauerhafte Erfüllung ihrer vielfältigen Funktionen für Waldbesitzende und die Gesellschaft sicherzustellen. Bork zeigte zahlreiche Fördermaßnahmen auf, die Waldbesitzende bei dieser Aufgabe unterstützen sollen, wie etwa die Waldumbauoffensive 2030 und das Waldbauliche Förderprogramm (WALDFÖPR), “das Herzstück der Bayerischen Forstförderung“.
Besonders zentral sei dabei zum einen die Beratung und Fortbildung der Waldbesitzenden, aber auch die finanzielle Förderung von Wiederaufforstung, Praxisanbauversuchen, Naturverjüngung und weiteren Maßnahmen, um Anreize für einen aktiven Waldumbau zu schaffen. Für Dissens im Publikum sorgten vor allem die Digitalisierungsvorstöße der Forstverwaltung. Während einige Personen kritisierten, vor allem Kleinwaldbesitzende stießen bei der digitalen Antragstellung an ihre Grenzen, betonten andere Stimmen die Vorteile der Digitalisierung und die umfangreiche Unterstützung der Bayerischen Forstverwaltung im Allgemeinen.
Im Anschluss an jeden der Vorträge hatte das Plenum die Gelegenheit, Rückfragen an die Referenten zu stellen und Anmerkungen zu äußern.
Eine andere Perspektive auf die Finanzierung des Waldumbaus bot Dr. Benjamin Kowalski, Head of Science und Mitgründer der Future Forest Initiative (FFI). Die Future Forest Initiative versteht sich als Brückenbauer zwischen Waldwirtschaft, Startups und Investor*innen mit dem Ziel, forstwirtschaftliche Innovationen zu erproben und voranzutreiben. Laut Kowalski sei „die Privatwirtschaft […] der nötige Partner, den die Waldwirtschaft braucht, um das hinzubekommen“ und sich neue Handlungsspielräume zu erarbeiten. In Zeiten des dynamisch schnellerwerdenden Klimawandels müsse das Ziel sein, schnell auf großer Fläche Wirkung zu erzielen. Gleichzeitig müsse man mehr Natur wagen, um resiliente Lösungen zu finden. „Mit der Natur arbeiten ist kostengünstig und der nötige Mindset-Change“, so Kowalski. Das Problem der öffentlichen Waldförderung sehe er vor allem darin, dass Masse statt Qualität gefördert werde, was eine Hürde für neue Akteure und Startups sei. Anhand einer Auswahl innovativer Startup-Projekte der Future Forest Initiative verdeutlichte er, dass diese als Leuchtturmprojekte dienen können, an der sich die Branche orientieren kann.
Die Frage der Verantwortung
Für rege Diskussion im Plenum sorgte der Vortrag von Dr. Ralf Straußberger, Wald- und Jagdreferent beim BUND Naturschutz. Im Rahmen seines Vortrags zum Thema „Bayerns Wälder zwischen Eigenverantwortung und staatlichem Handeln“ demonstrierte er an fünf Fallbeispielen das komplexe Spannungsfeld der Verantwortlichkeiten für den Wald. Unter anderem kritisierte er, ein konsequenter Klimaschutz zur Abmilderung der Folgen für den Wald sei von Staatsseite nicht in Sicht. Dies sei schon jetzt verheerend für Waldbesitzende und die Gesellschaft – so seien seit 2017 bereits 900.000 Hektar Wald verloren gegangen. Ebenso bemängelte Straußberger, in Bayern bestehe seit Jahrzehnten ein Verbissproblem, das Waldbesitzende nicht selbst bewältigen können. Hier sehe er den Staat in der Verantwortung, um als Vermittler zwischen Waldbesitzenden und Jagd zu agieren.
Grundsätzlich befürwortete Straußberger die staatlichen Förderungen für Wiederaufforstung und Waldumbau, genauso wichtig sei aber intensive Schulung und Beratung. Falsche waldbauliche Entscheidungen seien schließlich oft das Ergebnis von Wissensdefiziten: „Nur auf Eigenverantwortung zu setzen und die Behebung der Schäden und Probleme […] mit Fördermitteln auszugleichen, ist der falsche Weg“. Außerdem sei ein Mindestmaß an gesetzlichen Vorgaben und Regeln, wie etwa ein Kahlschlagverbot, notwendig, um die Zukunft der Wälder in Bayern zu sichern. Im Publikum löste Straußbergers Perspektive teilweise Unmut aus; es entstand der Eindruck, der Referent würde Waldbesitzenden nicht zutrauen, eigenverantwortlich zu handeln.
Die Podiumsdiskussion rundete das Tagesprogramm ab und ermöglichte noch mehr Austausch zwischen dem Moderationsteam, den Referenten und dem Publikum.
Den abschließenden Vortrag präsentierte Daniel Kraus, Leiter des Universitäts-Forstamts Sailershausen (Universität Würzburg). Zu Beginn betonte er, er wolle in Zeiten staatlicher Sparmaßnahmen nicht fordern, dass Waldbesitzende leer ausgehen, als Steuerzahler sehe er aber Probleme in der Förderung. Es herrsche von Staatsseite Misstrauen gegenüber den Waldbesitzenden, das sich in starker Kontrolle und wenig freiem Handlungsspielraum äußere. Dabei, so Kraus, hätten gerade diese Freiheiten das Potenzial, pragmatische Lösungen hervorzubringen. Voraussetzung dafür sei jedoch, einen Zielzustand für den Wald zu definieren und Erfolge stärker zu fördern als reine Maßnahmen. Statt etwa der Anzahl von Pflanzen müssten Faktoren wie die tatsächliche Resilienz und Anpassungsfähigkeit des Waldes sowie der Erhalt naturnaher Lebensräume gefördert werden. Auf Nachfragen aus dem Publikum stimmte Kraus zu, dass gerade Opfer von akutem Waldsterben auf eine Maßnahmenförderung angewiesen seien – hier wäre eine Zustandsförderung nicht sinnvoll. Dennoch sei er der Ansicht, die Zustandsförderung müsse zukünftig stärker in den Vordergrund rücken, um echte Veränderungen im Wald zu bewirken.
Diesen Standpunkt vertrat Kraus auch in der anschließenden Podiumsdiskussion, die von Alana Steinbauer (BayCEER) und Julius Fischer (Ökologisch-Botanischer Garten) moderiert wurde. Der Staat müsse fördern, aber auch stärker fordern. Weitgehende Einigung – sowohl auf dem Podium als auch im Plenum – herrschte jedoch in Bezug auf die Schulungs- und Beratungsarbeit der Bayerischen Forstverwaltung. Unabhängig von der finanziellen Förderung seien die umfangreichen kostenlosen Beratungsangebote eine wertvolle Unterstützung für Waldbesitzende. FFI-Mitgründer Dr. Benjamin Kowalski und Privatwaldbesitzer Olaf Legeler sprachen sich jedoch für eine bessere Balance zwischen staatlicher und privater Beratung aus. Konsens gab es auch in der Frage des Wilddrucks als Hauptproblem der Forstverjüngung. Aus Sicht der Waldbesitzenden müsse mehr Druck auf die Jagdbehörde ausgeübt werden. „Der Staat ist in der Verantwortung“, so Dr. Ralf Straußberger, „wenn dauerhaft dokumentiert rechtswidrige Zustände herrschen“.
Von der Theorie in die Praxis: Am zweiten Tag des Forums Waldkontroversen konnten die besprochenen Themen im Rahmen einer Exkursion vertieft werden.
Welchen Staat braucht der Wald?
Auf einen Tag des regen Austauschs und spannender Impulse folgte am Samstag eine Exkursion in das Bayreuther Umland unter Leitung von Dr. Andreas von Heßberg und Dr. Gregor Aas. Am Vormittag stellten Vertreter des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bayreuth-Münchberg auf Flächen eines Privatwaldbesitzers in die konkrete Umsetzung staatlicher Fördermaßnahmen für Waldumbau, Praxisanbauversuche und Naturverjüngung vor. Am Nachmittag präsentierte ein innovativer Waldeigentümer Maßnahmen zum Waldumbau durch Sponsoring und Erwerb von Ökopunkten, somit ohne Förderung durch die staatliche Forstverwaltung.
Das Resümee der Waldkontroversen 2025: Bayerns Wälder befinden sich in einer Krise, für deren Bewältigung finanzielle Mittel, viel Know-how und innovative Ideen im Bereich Waldumbau, Biodiversität und Naturverjüngung unerlässlich sind. Staatliche Förderungs- und Beratungsangebote tragen schon jetzt dazu bei, Waldbesitzende bei diesen Aufgaben zu unterstützen, doch auch andere Steuerungsorgane, etwa aus der Privatwirtschaft und der Startup-Szene, können den Weg für neue Innovationen ebnen und mehr Handlungsspielraum schaffen. Dabei muss eine Vielzahl an unterschiedlichen Interessen, etwa seitens der Waldbesitzenden, der Jagd, der Gesellschaft und des Naturschutzes, navigiert werden. Aufgabe des Staates muss es einerseits sein, vertrauensvoll eigenverantwortliches Handeln der Wald- und Forstwirtschaft zu ermöglichen, aber auch als vermittelnde Instanz die Vereinbarung der vielfältigen Ansprüche an den Wald zu gewährleisten, um den Wald und seine wichtigen Funktionen auch in Zukunft zu bewahren.
Kontakt:
Benedikt Lieb
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